An der Mosel gibt es deutsche Bilderbuch-Idylle satt: Sanfte Hügel, die mit einem Meer aus Weinreben bedeckt sind, Schlösser und Burgen, die majestätisch über einem der meistgeliebten Flüsse der Republik thronen und süße Dörfer, zwischen deren Fachwerkgiebeln die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.
Dass die Region allerdings viel moderner ist, als ihr Gebrüder-Grimm-Flair vermuten lässt, zeigt ein Aufenthalt im Hotel Nicolay in Zeltingen. Hier an der Mittelmosel serviert Inhaber Johannes Nicolay seit 2012 ausschließlich vegane Speisen und ist damit ein echter Vorreiter in der deutschen Hotellandschaft.
Warum Herr Nicolay ganz auf tierische Produkte verzichtet und ob ein veganer Urlaub an der Mosel auch außerhalb seiner Hoteltüren funktioniert, verrät er uns im Interview.
Ihr Hotelrestaurant „Weinstube“ war das erste komplett vegane Hotelrestaurant in Deutschland. Wie kam es zu dem Entschluss, nur noch vegane Speisen auf die Karte zu setzen?
2012 wurde ich aus gesundheitlichen Gründen selbst vegan. Die positiven Effekte auf mich selbst und die Umwelt haben mich maßgeblich dazu bewogen. Ausschlaggebend war aber der Ärger über mein eigenes Unwissen über alles, was mit veganer Ernährung zusammenhängt, obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon seit Jahren professioneller Koch war.
Ich wollte beweisen, dass „vegan“ und „Genuss“ keinen Gegensatz darstellen und dass es die Kreativität und den Geschmack in der Küche nicht einschränkt, sondern sogar erweitert.
All dies ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Denn ich habe in meiner Zeit als „regulärer“ Koch ja sicher weitaus mehr Tiere verarbeitet als jeder Durchschnittsgast. Anklagen und verurteilen liegt mir schon alleine deshalb fern.
Eine spannende, nachhaltige und genussvolle Alternative zu bieten, sehe ich als meine primäre Aufgabe. Den Gast mit meinen Speisen zu erfreuen. Daran hat sich gar nichts geändert. Bei Interesse informiere ich natürlich aus meinem Erfahrungsschatz. Ich bin jeden Abend im Restaurant und unterhalte mich gerne mit meinen Gästen.
Wie haben Ihre Gäste auf den Entschluss reagiert – war die Skepsis groß?
Zu Anfang? Auf jeden Fall! Allerdings waren viele Gäste auch offen, neugierig und freuten sich über das neue Angebot. 2012 mussten wir vielen noch erläutern, was vegan denn überhaupt ist. Das hat sich innerhalb der letzten Jahre sehr gewandelt. Viele Menschen wollen ja heute gar nicht mehr so viele tierische Produkte zu sich nehmen, lehnen Massentierhaltung ab, machen Sport, wollen ihrem Körper Gutes tun und ernähren sich sehr bewusst. So wundert es nicht, dass uns auch immer mehr „Nichtveganer“ besuchen, um die vegane Küche einfach mal auszuprobieren. Schaden kann das sicher nicht.
Inzwischen hat Ihr Hotel zwei Restaurants, die Weinstube und die Sonnenuhr. Was unterscheidet die beiden Restaurants?
An sich sind es sogar vier!
„Die Weinstube“ ist das vegane Premium Restaurant. Hier versuche ich sowohl langjährige Veganer als auch „Fleischesser“ mit frischen Ideen aus besten pflanzlichen Produkten und der Kombinationen von verschiedensten Küchentechniken zu überraschen. Dass die Speisen alle nötigen Nährstoffe enthalten, nehmen die Gäste dabei nur sekundär wahr.
Ein visuelles Highlight ist die hauseigene Pilzzucht, die man durch ein Bodenfenster in diesem Restaurant sehen kann. Seit vielen Jahren ist „Die Weinstube“ unter den veganen Top-Restaurants in Deutschland.
„Die Sonnenuhr“ ist das vegane Fast Food Restaurant. Hier bieten wir von Salaten und hausgemachten Burgern bis zu Wraps, von moselländisch rustikal bis asiatisch alles für den schnellen Genuss, was vegan sattmacht und frische Energie gibt.
Dann haben wir mit dem Restaurant „Schlossberg“ noch das vegane Halbpensions-Restaurant für unsere Hotelgäste mit Arrangements und den veganen Sonntagsbrunch im Restaurant „Himmelreich“. Zusätzlich bieten wir dann auf der großen „Moselterrasse“ auch veganes Eis und hausgemachte Kuchen.
Was kommt bei Ihrem veganen Frühstück auf den Tisch?
Das Frühstück beinhaltet täglich über 90 Einzelprodukte. Neben nach außen ganz gewöhnlichen, aber veganen, Brötchen und einer ebensolchen Brotauswahl (auch glutenfrei) natürlich vegane „Butter“, „Joghurt“ und „Quark“, Aufstriche und diverse Aufschnitte, viel Obst, Smoothies, Kaffee, frische Fruchtsäfte und hausgemachte Dips. Eine Getreidemühle steht auch zur Verfügung. Ein Teesortiment ist ebenso vorhanden wie eine große Auswahl an verschiedenen Soja,- Dinkel,- Hafer,- und Reisdrinks für die Cerealien.
Nicht nur das Essen ist bei Ihnen vegan, sondern auch Teil Ihrer Hoteleinrichtung, zum Beispiel der Wellnessbereich Venganico. Welche Produkte machen da den Unterschied im Vergleich zu einem konventionellen Wellnessbereich?
Zunächst haben wir sichergestellt, dass die verwendeten Produkte keine tierischen Bestandteile enthalten. Dazu gehört für Veganer auch Honig, der leicht durch pflanzlichen Sirup ersetzt werden kann. Der nächste Schritt war es, bei der Auswahl unserer Partner auch darauf zu achten, dass sie bei der Herstellung ihrer Produkte auf Tierversuche verzichten.
Wie steht es allgemein mit der Vegan-Freundlichkeit in der Moselregion? Hat man es hier leicht im Urlaub?
Immer mehr Restaurants folgen unserem Beispiel und haben ein bis zwei vegane Gerichte in ihre Speisenkarten aufgenommen. Gerne haben wir schon Kochkurse mit den Kollegen hier bei uns durchgeführt. Wir sind stolz darauf, dass wir die Gäste an die Mosel geholt haben, die das auch durch ständiges Nachfragen in der regionalen Gastronomie mit erreicht haben.
Und wenn man als Veganer zur Weinprobe an die Mosel kommt: Welche Winzer in Ihrer Umgebung bieten veganen Wein an?
Sehr viele. Ich würde sagen: Mehr als man trinken kann 😉 Das gilt für den „König der Reben“, den Riesling in allen Qualitätsstufen bis zu hervorragenden Rotweinen. Alle Weine auf unserer Weinkarte, besser gesagt alle Getränke, sind vegan. Das Partnerweingut hier im Ort, mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten, hat allerdings als erstes Weingut hier an der Mittelmosel, und vollkommen zurecht, den Hinweis „vegan“ selbstbewusst auf ihre Wein-Etiketten drucken lassen.
Vegan wird immer mehr – und gerade im Weinbau – zu einem Qualitätsmerkmal. Wer will schon Wein oder sogar Apfelsaftschorle trinken, im Bewusstsein, dass diese Getränke tierische Produkte (die im Übrigen nicht kennzeichnungspflichtig sind) enthalten können? Ein oft fotografiertes Motiv sind mittlerweile die Schilder vor den Weinkellern in unserem Ort auf denen oft, wie selbstverständlich, „Hier gibt es veganen Wein!“ geschrieben steht.
Und um zum Abschluss bei der Region zu bleiben – welche sind Ihre drei Lieblingsausflugsziele in der Umgebung?
Puh…nur drei? Das ist schwer. Es gibt so vieles hier zu entdecken. Ich liebe den Gewürzgarten in Ürzig und den Sortengarten direkt hier in Zeltingen, weil es Orte sind, die mir gleichermaßen Inspiration schenken und mich trotzdem auch Ruhe und Entspannung erfahren lassen.
Dann haben wir noch den Moselsteig als Premium Wanderweg, der so viel Abwechslung und immer neue überwältigende Aussichtspunkte bietet wie kaum ein anderer. Eine Schifffahrt auf der Mosel gehört auf jeden Fall zu einem Sommeraufenthalt hier dazu. Die Kupferbergwerke im Hunsrück, der Mosel-Maare-Radweg durch die Eifel. Die vielen Burgen und Schlösser….Oh, das waren nun glaube ich doch schon mehr als drei? 😉
Vielen Dank für das Interview und bis bald an der Mosel, Herr Nicolay!
Bist du auch auf den Geschmack gekommen? Dann sieh dir unser ganzes Angebot für vegane Hotels an!